Verbesserung des Therapiemonitorings bei Multipler Sklerose

Das internationale Forschungsprojekt

MS PATHS

Am 20. Juni 2017 startete das Multiple Sklerose Zentrum am Zentrum für klinische Neurowissenschaften des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden als erstes europäisches Zentrum mit dem internationalen Forschungsprojekt MS PATHS (Multiple Sclerosis Partners Advancing Technology and Health Solutions). Zehn internationale Zentren, von denen sieben in den USA und eines in Spanien beheimatet sind und zu denen unter anderem die Cleveland Clinic, Johns Hopkins Medicine und das Centre d´Esclerosi Múltiple de Catalunya (Cemcat) in Barcelona gehören, erforschen dabei die leider immer noch unheilbare Erkrankung Multiple Sklerose (MS).

MS PATHS begann mit dem Ziel, standardisierte Daten der Magnetresonanztomographie (MRT) sowie Daten mittels der digitalen Adaptation des Multiple Sclerosis Functional Composite (MSFC, eine Testbatterie zur Bewertung von MS Patient*innen hinsichtlich Kognition, Feinmotorik und des Gehens) von Patient*innen mit der Diagnose Multipler Sklerose oder klinisch isoliertes Syndrom (CIS) zu sammeln. Der Clou dabei: Patient*innen können den MSPT ohne Support durch medizinisches Personal durchführen! Das Ziel waren zunächst 10.000 Patient*innen in einer gemeinsamen Forschungsdatenbank und damit ein standardisierter Datensatz, der in dieser Qualität Forschern bisher noch nicht zur Verfügung stand.

Welche Daten werden erhoben?

MRT

Jede/r MS-Patient*in sollte zusätzlich zu seinen/ihren Routineuntersuchungen beim Neurologen im Schnitt einmal jährlich eine MRT-Untersuchung erhalten. Jedoch können sich diese durchaus hinsichtlich der gefahrenen Sequenzen (z.B. T1, T2, FLAIR etc.) sowie ihrer Bildqualität unterscheiden, so dass Verlaufsbeurteilungen zum Teil erschwert werden können. Patient*innen, die an MS PATHS teilnehmen, erhalten ihre MRT-Untersuchungen am gleichen Siemens 3-Tesla-Scanner mit den immer gleichen MRT-Sequenzen, so dass eine adäquate Verlaufskontrolle gewährleistet ist. Zusätzlich ermöglicht eine speziell im Rahmen von MS PATHS zur Verfügung stehende Software, dass neben der Anzahl und des Volumens neuer Läsionen auch die Hirnvolumenminderung auf einem Dashboard dargestellt wird und mit dem/n Patient*innen besprochen werden kann. So detailliert erhält man die wenigsten neuroradiologischen Befunde!

Im klinischen Alltag ist es meist nicht möglich, den MSFC für das Monitoring regelmäßig durchzuführen. Grund sind Platz-, Zeit- und Personalengpässe (der MSFC kann nur mit einer geschulten Fachkraft durchgeführt werden). Diese Einschränkungen können mit dem MSPT, der digitalen Adaptation des MSFC, umgangen werden. Der MSPT bietet die Möglichkeit der Dokumentation von Basisdaten (z.B. Datum der ersten Symptome, Erstdiagnose, Schübe, Selbsteinschätzung bezüglich des Gehens), der subjektiven Beurteilung der Lebensqualität sowie Tests zur Überprüfung von Kognition, Feinmotorik der oberen Extremitäten und der Gehfähigkeit.

Kognition

Ein Raum ist zwar notwendig, damit Patient*innen in Ruhe ihre Tests durchführen können, aber sie können dies alleine tun (ein Support wäre im Bedarfsfall jedoch verfügbar). So können während der Zeit, in der ein MSFC mit einem/r Patient*in durchgeführt wird, z.B. zeitgleich zehn MSPTs erfolgen (Beschränkung ist hier lediglich die Anzahl an Tablets). Damit ist zu jeder Visite ein MSPT möglich (im Schnitt alle drei Monate), was die Verlaufskontrolle qualitativ verbessert und die Aussagekraft von Veränderungen erhöht. Die gemeinsame Betrachtung der Ergebnisse im Anschluss jeder MSPT-Durchführung mit Patient*innen ermöglicht ein zeitnahes Reagieren auf Verschlechterungen bzw. der Abklärung für eventuelle Ursachen (Brille vergessen, Patient*in wurde zwischendrin unterbrochen etc.).


Die Etablierung einer Bioprobendatenbank fokussiert sich hauptsächlich auf das Neurofilament, eine Gerüstsubstanz der Nervenfaser. Dieses wird bei Zerstörungen von Nervenfasern in das Nervenwasser ausgeschwemmt, kann aber mittlerweile auch im Blut gemessen werden. Inwieweit das Neurofilament als Biomarker für MS genutzt werden kann, wird in derzeit vielen Studien erforscht. Aber auch alle anderen Zellen in den Blutproben stehen Wissenschaftlern für die Forschung zur Verfügung.
Da es nicht nur wichtig ist zu messen, welche Veränderungen bei MS-Patient*innen vorkommen, sondern auch, wie Blutwerte, MSPT und MRT-Aufnahmen bei nicht-MS-Patient*innen (sogenannte „gesunde Probanden“) aussehen, gibt es im Rahmen von MS PATHS eine eigene Substudie, die Ende dieses Jahres ihren Abschluss findet. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse!

Bioproben Labor

Worin liegt der Nutzen von MS PATHS?

Das MS Zentrum Dresden nutzt diese Daten nicht nur für die Forschung. Wenige Monate nach Projektbeginn wurde der Nutzen des zu jeder Visite erhobenen MSPT sichtbar: die regelmäßige und standardisierte Testung von den bei MS häufig betroffenen Funktionssystemen, wie das Kontrastsehen, die Kognition, die Feinmotorik der oberen Extremitäten sowie die Gehfunktion, ermöglichte einen wesentlichen Zuwachs für das Therapie-Monitoring - und das sowohl zeit- als auch ressourcenschonend. Weiterer Vorteil für das MS Zentrum sowie seiner Patient*innen: die Ergebnisse können direkt im Anschluss angesehen, im Zeitverlauf dargestellt und beurteilt werden. Schnell etablierte sich ein Prozedere, bei dem Verschlechterungen einzelner Funktionssysteme direkt an den behandelnden Neurologen zurückgemeldet und gegebenenfalls eine weitere Diagnostik eingeleitet werden kann. Um dieses engmaschigere Monitoring nicht nur den Patient*innen zukommen zu lassen, die ihre Einwilligung zur Teilnahme an MS PATHS gegeben haben, beschloss man rasch, dass alle Patient*innen des MS Zentrum Dresden zu ihren Visiten den MSPT durchführen sollten. Somit fließen diese Daten zusammen mit den Befunden aus der klinischen Routine in das Therapie-Monitoring aller Patient*innen des MS Zentrum Dresden mit ein. Der Nutzen einer so großen Forschungsdatenbank zeigt sich daher nicht nur rein für die Wissenschaft, sondern kann gleichzeitig in der klinischen Routine seine Vorteile einfließen lassen.
Da es bei der MS auch wichtig ist, Veränderungen zwischen den Visiten zu dokumentieren, diese aber nicht immer für Patient*innen wahrnehmbar und Symptome auch nicht immer vorhanden sein müssen, wurde das MS Zentrum Dresden als weltweit erstes Zentrum für die Substudie Konect-MS ausgewählt - eine App zur mobilen Selbstmessung. Patient*innen haben mittels der Konectom-App die Möglichkeit, sich mehrmals die Woche und wenn Einschränkungen auftreten, selbst zu messen. Die Ergebnisse sind sowohl für Patient*innen als auch für die behandelnden Neurologen einsehbar und fließen ebenfalls in das Monitoring der MS mit ein.
Bis Juni 2022 verzeichnete MS PATHS nun über insgesamt 20.000 eingeschlossene Patient*innen in den beteiligten Zentren, von denen neben MSPT unter anderem auch MRT-Daten, Blutproben sowie klinische Daten vorliegen. Eine Forschungsdatenbank, die großes Potential für weitere Erkenntnisse bezüglich der MS bietet! Dafür bedanken wir uns bei allen Patient*innen und Proband*innen, ohne deren Mitwirken dies nicht möglich wäre!

Die Datenerhebungsphase der Studie ist abgeschlossen, es werden keine neuen Patienten mehr eingeschlossen.

Sollten Sie die Diagnose Klinisch isoliertes Syndrom oder Multiple Sklerose erhalten haben und Interesse an der Teilnahme an MS PATHS haben, so können Sie bei Ihrer nächsten Visite am MS Zentrum Dresden Ihren Arzt darauf ansprechen oder sich direkt mit einem unserer Ansprechpartner in Verbindung setzen. Sollten Sie bisher kein/e Patient*in des MS Zentrums Dresden sein, so können Sie dennoch an MS PATHS teilnehmen! Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass Sie zumindest einmal im Jahr bei uns zu einer Untersuchung vorstellig werden. Kontroll-Proband*innen werden derzeit nicht gesucht. Da sich die Dinge aber schnell ändern können, werden Sie über unsere Homepage zeitnah darüber sowie über andere Projekte informiert.

Jenni Böttger

Ansprechpartnerin MS PATHS

Jenni Böttger

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